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Life-Balance - in der Mitte liegt die Kraft

Part 1 - Gestalte dir Übergänge 

Das frühere Konzept einer Work-Life-Balance hat unterstellt, dass es eine Balance geben kann zwischen unseren verschiedenen Lebensbereichen wie Beruf, Privatleben/Familie und persönlicher Erfüllung.

Wir sprechen heute lieber von einer Lebens-Balance  "Life Balance" und trainieren diese als eine Fähigkeit zur Selbstregulation. 

Bild: IStockphoto

Mit dem Ziel, eine Balance im Leben immer wieder auspendeln zu können, ähnlich einem Hochseiltänzer mit seinem Stab. Im Kern brauchen wir für diese Zentrierungsfähgikeit einen Kontakt zur eigenen Mitte (in der Mitte ruht/liegt die Kraft).

 

Wenn du die Berührung mit der inneren Stille verlierst, 

verlierst du den Kontakt mit dir selbst.

Wenn du den Kontakt mit dir selbst verlierst,

verlierst du dich in der Welt.

Eckhart Tolle

Mit den Themeneinheiten 1 zur Wahrnehmungs-  und 2 zur Distanzierungfähigkeit haben wir eine gute Voraussetzung geschaffen, um überhaupt gut wahrnehmen zu können, wann wir aus der Balance kommen und unsere Mitte verlieren, um noch rechtzeitig gegensteuern zu können.  

 

Unter Balance verstehen wir aber hier nicht nur die Vereinbarkeit der einzelnen Lebensbereiche, sondern auch im Sinne einer mentalen, emotionalen und körperlichen Balance.

 

 

Leben im Always-on und Stand-By

Viele hetzen von einer Aktivität zur nächsten, von Zuhause zur Arbeit oder im Homeoffice an den Schreibtisch, abends wieder nachhause oder vorher noch schnell Einkaufen / Sport / Kinder abholen und dann Abendessen und dann.. fallen einige schon aufs Sofa. 

Und seit berufliche Korrespondenz auch am Smartphone möglich ist, checken einige auch noch in ihrer eigentlichen Freizeit schnell mal zwischendurch berufliche E-Mails.

 

Wenn wir aber einen Lebensbereich/Aufgabe nicht (mehr) bewusst abschließen, vermischen sich verschiedene Lebensbereiche miteinander. Man hat dann zum Beispiel das Gefühl, alles verschwimmt miteinander, oder dass man nie fertig wird mit der Arbeit. Man erholt sich nicht mehr richtig und kann auch nicht mehr abschalten. Auch leiden viele unter mangelnder Aufnahmebereitschaft. ständiger Müdigkeit und mentaler Erschöpfung.

 

 

Übergänge gestalten

 

Wenn Lebensbereiche und Aufgaben zu verschwimmen scheinen, dann deshalb, weil wir sie nicht abgeschlossen haben.

 

Als Analogie können wir den PC/Laptop nehmen, hier erhalten wir eine Warnmeldung, wenn beim Schließen noch ein Programm geöffnet ist.

 

Wir dürfen wieder lernen, Übergänge zwischen einzelnen Lebensbereichen und Tätigkeiten herzustellen, um dann auch wieder offen zu sein für einen nächsten Lebensbereich oder Tätigkeit.

Bild: Unsplash, Alex Azabache

 

Die Natur kann uns hier als Beispiel dienen, auch hier gibt es immer Übergänge zwischen Tag und Nacht, den Jahreszeiten, und auch landschaftlich zum Beispiel am Waldrand.

 

Was bringt uns so ein Übergang?

Wir erleben hier bewusst eine Zeiteinheit, in der wir nicht mehr in einem Lebensabschnitt sind, aber auch noch nicht angekommen sind im Neuen: Ich habe eine Aufgabe abgeschlossen, aber die neue noch nicht begonnen. Die Zeit dazwischen bezeichnen wir als Übergang.

 

Diese Zeiteinheit ist eine Nicht-Zeit, hier soll keine Intention liegen zu Aktivität, hier soll nichts besonderes stattfinden. Etwas ist nicht-mehr und gleichzeitig noch-nicht.

Unser Geist beruhigt sich und kann ganz aufgehen im Augenblick, es liegt nur jeweils der nächste Schritt an. Er kann in dieser Zeit Vergangenes verarbeiten  und abschließen. Und damit sich öffnen für das, was anschließend kommt, denn am Horizont (als Metapher gesprochen) taucht meine nächste Aktivität, mein nächster Lebens-/Tagesabschnitt auf.

 

Ein wichtiger Zweck ist aber das Abschließen eines Zeitabschnitts/einer Tätigkeit oder eines Erlebnisses, als Voraussetzung und um offen zu sein, für den nächsten Zeitabschnitt/eine Tätigkeit oder bevorstehendes Erlebnis.

 

Gelegenheiten dafür gibt es viele, zum Beispiel im Job von einem Kunden/Patienten/Klienten zum nächsten; das Ende einer Arbeitswoche - Beginn neue Arbeitswoche nach Wochenende; Urlaubsanfang und -ende, etc.

 

Manche Übergänge werden sogar je nach Gesellschaftskontext kollektiv zelebriert, zum Beispiel an Sylvester für Neujahr. 

 

 

Übergänge bewusst zu erleben tut uns gut, weil sie uns auf Dauer schützen vor geistiger Überlastung. Um noch einmal den PC als Analogie zu nehmen: Wenn wir den PC runterfahren, wird auch der Arbeitsspeicher geleert. Das geschieht nicht statisch von einem Moment zum anderen, sondern alle offenen Programme, auch die im Hintergrund, werden nacheinander geschlossen.

Wenn ich meinen geistigen Arbeitsspeicher regelmäßig leere, steht mir danach immer wieder frische Energie und Aufmerksamkeit zur Verfügung, für das was ich als nächstes vorhabe.

 

Ich kann zum Beispiel den täglichen Arbeitsweg als Übergangszeit gestalten. Wenn ich dann zuhause ankomme, habe ich mich in der Zwischenzeit innerlich schon auf meine Freizeit eingestellt. Dafür hat es keine Extra-Zeit gebraucht, lediglich habe ich meine geistigen Ressourcen nutzbringend für mich eingesetzt. 

Im Homeoffice darf man sich Rituale anders anpassen, vielleicht wählt man bewusst andere Kleidung für Arbeits- und Privatzeit, oder macht sich nach der Arbeit erst einmal einen Kaffee, oder macht einen kurzen Spaziergang, etc.

 

Gerade auch im Homeoffice ist mehr Disziplin angesagt hinsichtlich Trennung von Arbeitszeit und Privat. Sogar in den Medien wurde berichtet, dass während der Homeofficezeiten 2020/21 Arbeitnehmer noch nie so lange vor den Bildschirmen saßen. 

 

 

Wie gestaltet man sich Übergänge?

Zunächst müssen wir uns sogenannte Übergangspunkte definieren, welche uns Tätigkeiten/Ereignisse, zum Beispiel Ende des Arbeitstages, eine Mittagspause, oder die Zeit vor dem Schlafengehen einleiten.

 

Es braucht jeweils für jeden dieser Übergangspunkte einen Prozess, den ich mir individuell festlege, und diesen darf ich anfangs ganz bewusst praktizieren, bis ich es irgendwann automatisch mache.

Dabei ist wichtig, das bewusste Abschließen zu koppeln an bereits bestehende (Routine)-Aktivitäten, denn es soll uns ja Energie sparen, und nicht extra welche kosten.

 

Wenn ich zum Beispiel am Ende eines Arbeitstages den PC runterfahre und den Arbeitsplatz aufräume, könnte ich mental den Tag noch einmal kurz durchgehen, und ihn dann schließen mit einem kleinen inneren Ritual, begleitet von einer positiven Affirmation (die ich mir festgelegt habe, wie z.B. "die Arbeit bleibt im Büro").

Dabei kurz innehalten und bewusst Atmen, und mir noch weitere sogenannte "Anker" setzen in Aktivitäten oder visuell geografische Punkte, die ich bewusst nutze, um das Abschlusserlebnis wirksamer zu vertiefen:

Da könnte ein Anker zum Beispiel das runterdrücken der Türklinke sein beim verlassen des Arbeitsplatzes, oder Anker ins-Auto-steigen, oder ein Ortschild als visueller Anker am Straßenrand auf dem Weg nachhause, usw.

 

Es braucht hier anfangs unsere Aufmerksamkeit (für das Finden und Festlegen der Übergangspunkte) und natürlich unsere Intention und etwas Disziplin zum Praktizieren. Denn es ist ganz wichtig für die Wirksamkeit, dass ich das Abschließen für den Übergang kontinuierlich ritualisiere (regelmäßig und immer auf die gleiche Art mache). Unsere Teilnehmer des MindBodyCircles sollen das 7 bis 10 Tage lang trainieren und dabei beobachten, was sich für sie dadurch verändert.

 

Etwas abschließen und Umschalten zu können ist eine trainierbare Fähigkeit. Sie ist gerade dann besonders wichtig, wenn die Zeiträume sehr intensiv sind oder schnell wechseln.

 

Diese Übung und Praxis als Routine gelebt, erweckt mit der Zeit unseren inneren Seiltänzer des Lebens ;-)